Presseinformation des gazo Kollektivs, sozialpalast e.V. zur aktuellen Situation am Gasometer-Areal im neuen Jahr 2022 und zur aktuellen Situation nach der Stadtratssitzung am 09.02.2022 in Münster.
Was passiert eigentlich am Gasometer?
Das Kunst- & Kultur-Kollektiv gazometer des sozialpalast e.V. hat 2021 das Gelände des Industiekulturdenkmals Gasometer am Albersloher Weg neu belebt. Es wurden Workshops, Konzerte, Kunstperformances, Kneipenabende, Nachbarschaftscafés und vieles mehr organisiert. Nach einem turbulenten Dezember, in dem die Zukunft des Gasometers ungewiss war, wurde es die letzten Wochen ruhig um das Gelände. Doch was passiert jetzt mit dem Gasometer?
Was will der Verein sozialpalast e.V.?
Die Vision des Gazo-Kollektivs: Der unter Denkmalschutz stehende Stahlkessel und sein dazugehöriges Gelände sollen langfristig als Begegnungsort für Kunst, Kultur, Soziales, politische Bildung & Teilhabe gesichert werden. Essentiell für dieses Vorhaben ist dem 2020 gegründeten sozialpalast e.V. dabei die Form, in der das passieren soll: nicht-kommerziell und selbstverwaltet. Das Kollektiv möchte mit seiner Kulturarbeit also keinen Profit erwirtschaften, der über den Erhalt des Ortes hinausgeht. Es soll die Teilhabe unterschiedlichster Menschen am Projekt ermöglicht und mit ihnen gemeinsam entwickelt werden; es handelt sich also um ein soziales, ein partizipatives Nutzungskonzept.
Was ist der Vertragsgegenstand?
Nach vielen Gesprächen mit Stadtwerken und Politik gegen Ende des letzten Jahres ging das Kollektiv nach einem erfolgreichen Wintermarkt am Gasometer zunächst in die Winterpause, jedoch ohne sichere Zukunftsperspektive: Eine Verlängerung des 2021 auslaufenden Vertrags war nicht absehbar. Im neuen Jahr 2022 kam es dann doch zur mündlichen Zusicherung eines weiteren Vertrages seitens der Stadtwerke. Das Angebot sieht nun vor, dem Kollektiv für das Jahr 2022 im dreimonatigen Takt Vertragsverlängerungen für das jeweils nächste Quartal anzubieten.
Nach einem ersten Aufatmen stellt sich jedoch die neue Situation für das Kollektiv und seine Arbeit als problematisch heraus: “Die Dreimonatsverlängerungen geben uns keine Planungssicherheit für unsere Kulturarbeit und Konzeptentwicklung.”, so David Koch vom Gazo-Kollektiv. “Es ist es quasi unmöglich, größere Veranstaltungen wie Konzerte oder Theateraufführungen zu planen. Dafür sind drei Monate Vorlaufzeit viel zu knapp. Unser nicht-kommerzielles Konzept stützt sich aktuell hauptsächlich auf Fördermittel des Landes und des Bundes. Die neue Vertragssituation macht das weitere Einwerben solcher Fördermittel praktisch unmöglich. Gleichzeitig wurden uns bereits über 25.000€ an Fördermitteln für 2022 bewilligt. Die Umsetzung der damit finanzierten Projekte ist durch die aktuelle Lage nun akut bedroht.”
Wie ist die Zukunftsperspektive?
Auch abseits vom Tagesgeschäft des Kollektivs haben die Dreimonatsverträge große Auswirkungen auf die Entwicklung unseres Zukunftskonzeptes. “2022 soll das Jahr werden, in dem wir überprüfen wollen, ob und wie es möglich ist, das Gasometergelände in Zusammenarbeit mit Stiftungen oder dem Städtebauförderprogramm “Initiative ergreifen” des Landes NRW zu kaufen und entsprechend zu sanieren. Das ist essenziell, um unsere Arbeit auf dem Gelände langfristig fortsetzen zu können. Die Stiftungen bzw. das Städtebauförderprogramm “Initiative ergreifen”, mit denen wir hierfür in Kontakt stehen, gehen mit uns aber nur in die entsprechenden Sondierungsphasen, wenn wir einen langfristigen Zugriff auf das Gelände haben und ein politischer Wille seitens der Ratskoalition erkennbar ist”, betont David Koch.
Was ist der politische Wille?
In der Ratssitzung vom 09.02.2022 wurden die Rahmenbedingungen einer Konzeptvergabe und die kommende Aufstellung eines Bebauungsplanes für das Gelände beschlossen, was den Weg für den Verkauf des Gasometers an private Investor*innen ebnet und die Nutzung “Büroturm” festlegt. “Die Planung der Stadtverwaltung eines Büroturms im Kessel würde hiermit vorangetrieben und ein einmaliges Industriekulturdenkmal für immer verbaut werden.” warnt David Koch. Das städtische Areal wird privatwirtschaftlichen Verwertungsinteressen überlassen.
Mit zwei Protokollnotizen zur Beschlussvorlage V/0325/2021 “Gasometer” behält sich die Ratskoalition aus Grünen, SPD und Volt, so wie auch die internationale Fraktion aus ÖDP/Die Partei/Tsakalides vor, “gegebenenfalls auch gegen das Konzept eines kommerziellen Investors zu entscheiden.” , b.z.w. fordern sie “den Kulturraum Gasometer beizubehalten”, denn am Ende entscheidet immer noch der Rat. Würde diese politische Option gezogen und die Forderung erfüllt, wäre das auch aus bundesweiter Perspektive betrachtet ein bemerkenswertes Zeichen mutiger und zeitgemäßer Stadtentwicklungspolitik aus Münster. Bleibt beides am Ende ein leeres Versprechen, kapituliert die Politik wie so oft vor dem Kapital. “Wir sind da sehr, sehr skeptisch und bleiben vorgewarnt.” mahnt David Koch und rezipiert frei eine Mahnung der Ratsfraktion DIE LINKE aus der Ratssitzung: “Wer einen Büroturm bestellt, bekommt am Ende auch einen Büroturm.”
Das Gazo-Kollektiv gibt zu bedenken, dass das letzte und außergewöhnliche Industriekulturdenkmal Münsters, sobald einmal veräußert, nicht mehr allen Bürger*innen der Stadt Münster offen stehen kann. Der städtische Raum ist ein sehr begrenztes, kostbares Gut, gehört uns allen und sichert gemeinschaftlich kommunalen Wert! Deshalb fordern wir eine Planungssicherheit mit einer Vertragsverlängerung von mindestens einem Jahr, ohne Kündigungsklauseln und in klarer Kommunikation und Absprache mit den Stadtwerken in 2022, um eine ernsthafte Chance zu haben, unser langfristiges Nutzungs- & Finanzierungskonzept auf dem Gelände entwickeln zu können.”, so David Koch. “Wir wünschen uns für die Zukunft Mut von Seiten der Politik und Verwaltung, unkonventionelle & neue Wege mit zivilgesellschaftlichen Akteur*innen zu beschreiten, um somit eine sozialere Stadtentwicklung in Münster zu ermöglichen.”
Münster, 10.02.2022
sozialpalast e.V.